23 Jun
FALLSTUDIE: VON EINEM DER AUSZOG, UM EINEN TOTAL-BUYOUT-VERTRAG ABZULEHNEN
Die lehrreichen Erfahrungen eines australischen Komponisten im Zuge eines Vertrages aus den USA
Buyouts, über die in letzter Zeit viel gesprochen wurde, sind ja nichts Neues. 2009 wurde der australische Komponist Ben gebeten, einen 90-minütigen Dokumentarfilm für einen großen Kabelfernsehsender zu vertonen. Es war seine erste Erfahrung mit einer Buyout-Vereinbarung. Doch bevor wir uns mit seiner Geschichte befassen, hier erst einmal ein wenig lokaler Kontext.
In Australien, wie auch in vielen anderen Ländern, erhalten Kund*innen, die Komponist*innen mit der Schaffung eines Musikwerkes beauftragen und sie dafür bezahlen, in der Regel das Urheberrecht an der Originalaufnahme dieses Werks (auch Master genannt). Die Verwendung der Musik in dieser Master-Aufnahme ist jedoch fast immer auf die Produktion beschränkt, für die sie in Auftrag gegeben wurde.
Dies geschieht über die Filmherstellungsrechtslizenz (oder Synch-Recht-Lizenz) aus dem Kompositionsvertrag, der die Nutzungsbedingungen für die Musik in der Master-Aufnahme festlegt. In der Vergangenheit haben australische Komponisten, die an australischen Auftragswerken arbeiten, ihre Verlagsrechte und das Urheberrecht an der Musik jedoch selbst behalten – sie nahmen als Kompromiss niedrigere Vorschüsse in Kauf.
Ben wurde mit der Vertonung des Films für 2/3 seines üblichen Honorars beauftragt. Zusätzlich wurde ihm ein Auftragswerksvertrag unterbreitet. Was wiederum nicht nur seinen Verzicht auf das Urheberrecht an der Master-Aufnahme, sondern auch die Abtretung seiner Urheberrechte an der Musik an den Sender nach sich gezogen hätte. Der Sender könnte so die Master-Aufnahme für jegliche Zwecke weiterverwenden, Unterlizenzen an Dritte vergeben oder die Musik neu aufnehmen bzw. bearbeiten, ohne einen weiteren Cent an den Komponisten zahlen zu müssen.
Diese Art von Vereinbarung ist in Australien äußerst unüblich und würde normalerweise mit deutlich höheren Vorschüssen einhergehen. Darüber hinaus bestätigte der Sender, dass es aufgrund der Musikvereinbarung Anspruch auf alle Tantiemen für die öffentliche Aufführung hat, und zwar nicht nur auf 100 % des sogenannten Verlegeranteils, sondern auch auf 100 % des Urheberanteils. Kurz gesagt, Ben würde während der gesamten Urheberrechtsschutzfrist weltweit keine weiteren Vergütungen für die Nutzung oder öffentliche Aufführung seiner Werke erhalten. Es handelte sich um einen klassischen Total-Buyout-Vertrag.
Zunächst sagte Ben, dass ihn der Begriff ‚work-for-hire‘ verwirrt habe, weil er im australischen Urheberrechtsgesetz (anders als in den Vereinigten Staaten) weder definiert noch generell in Australien gängig sei.
Er hat jedoch etwas weiter recherchiert…
„Ich erkannte die Bedeutung von ‚work-for-hire‘ oder Auftragskomposition, nämlich, dass die im Auftrag eines Unternehmens geleistete Arbeit als das Werk des Unternehmens betrachtet wurde und diesem vollständig gehören würde. In der Regel zahlen solche Unternehmen jedoch regelmäßig Löhne, Rentenversicherung, Krankengeld, Urlaubsgeld und andere Zulagen. Wir Komponist*innen haben jedoch nichts von alledem, und deshalb sind Tantiemen ein wichtiges Mittel, um dies zu kompensieren.“
„Unser Honorar muss natürlich unsere Zeit und unsere Expertise abdecken, aber auch direkte Kosten wie Miete, Software, Sample-Bibliotheken, Computer und andere Ausrüstung sowie indirekte Kosten wie Gas und Strom, Wasser und Gebühren usw. Es sind die Tantiemen, die eigentlich als unsere Altersvorsorge dienen und unser langfristiges finanzielles Überleben sichern, denn das Starthonorar allein reicht nicht immer aus, um diese Kosten zu decken.“
Glücklicherweise sind australische Komponist*innen bis zu einem gewissen Grad gegen Buyouts gefeit. Wie in einigen europäischen Ländern treten die Mitglieder der dortigen Verwertungsgesellschaft für Aufführungsrechte, APRA (Australasian Performing Right Association), alle Aufführungsrechte an bestehenden und künftigen Werken an diese Organisation ab, so dass letztere die Lizenzgebühren für Aufführungsrechte im Namen der Komponist*innen einziehen kann.
Das bedeutet auch, dass Komponist*innen nicht in der Lage sind, eine Vereinbarung zu treffen, mit der sie diese Rechte an Dritte abtreten. Als Folge davon konnte Ben dem Sender den Urheberanteil an den Tantiemen für die Aufführungen nicht abtreten, ohne für alle vergangenen und zukünftigen Werke vollständig aus der APRA für Film und Fernsehen auszusteigen.
„Als ich darauf hinwies, dass ich als APRA-Mitglied nicht auf meinen Urheberanteil an den Aufführungstantiemen verzichten kann, antwortete man mir einfach, dass ich einen amerikanischen Vertrag unterschreiben könne, um dies zu umgehen. Ich war, gelinde gesagt, total platt, ganz zu schweigen von den möglichen rechtlichen Konsequenzen. Man bot mir nicht nur ein niedriges Honorar an, sondern forderte mich auch zum Verzicht an all meinen Aufführungstantiemen auf – eine potenziell bedeutende Einnahmequelle. Außerdem wollte man, dass ich das gesamte Urheberrecht an der Musik abtrat, so dass der Sender die Musik weiterverwenden oder Unterlizenzen vergeben konnte, ohne jemals für diese Weiterverwendung zu bezahlen.“
In einem Kompromissversuch schlug Ben dem Sender vor, dass er dem niedrigen Honorar zustimmen gegen Beibehaltung seiner Tantiemen und Einschränkung des Weiterverwendungszwecks zustimmen könnte. Dabei betonte er, dass der Sender immer noch eine weltweite Exklusivlizenz für die Verwendung der Musik in der Master-Aufnahme im Film hätte und dass dies ihn in keiner Weise daran hindern würde, den Film jetzt oder in Zukunft in allen Medien zu verwerten.
Es wurde jedoch schnell klar, dass der Buyout-Vertrag nicht verhandelbar war. Er wurde jedoch gebeten, ein Angebot für den Erwerb der vom Sender benötigten zusätzlichen Rechte abzugeben.
„Ich war extrem konservativ mit meinem Preisvorschlag. Dieser war nur zweieinhalb Mal höher war als deren ursprüngliches Angebot (das bereits sehr niedrig war). Scheinbar jedoch sprengte mein Vorschlag ihr Budget. Zwischenzeitlich war man mit einem Auftrag für einen lokalen Dokumentarfilm an mich herangetreten. Diesen sollte ich mit einem festen Kooperationspartner zu vertonen, was mir einen höheren Vorschuss einbrachte und mir ermöglichte, meine Urheberrechte und Tantiemen zu behalten. Schlussendlich musste ich über die Entscheidung nicht zweimal nachdenken.“
Ben sagt, die Erfahrung sei sehr wichtig und lehrreich gewesen. Obwohl er den Doku-Spielfilm des Kabelsenders und die sich daraus potenziell ergebende internationale Aufmerksamkeit hatte sausen lassen, habe er ein unschätzbares Know-how über Auftragsarbeiten und Buyout-Verträge erhalten.
„Das in dieser Zeit erlangte Wissen und die so gesammelten Erfahrungswerte waren mir während meiner gesamten beruflichen Laufbahn von großem Nutzen. Leider fühlt es sich so an, als ob sich seit 2009 nicht wirklich viel geändert hätte! Ich denke, es ist heute so schwierig wie damals, wenn nicht schwieriger, für sich selbst und seinen Wert einzutreten und den Wert zu vermitteln, den man in eine Produktion einbringt. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass wir Komponist*innen stärker sind, wenn wir miteinander kommunizieren, voneinander lernen, und Geschichten wie diese austauschen. Wenn wir alle, etablierte und aufstrebende Komponist*innen, nur ein wenig häufiger zusammenkämen und ehrlich über die Herausforderungen sprechen würden, denen wir alle gegenüberstehen, könnten wir die Messlatte im Laufe der Zeit langsam höher legen.“
So, was denkt Ben eigentlich über diese Art von Verhandlungen?
„Ich habe festgestellt, dass Kund*innen, die nicht bereit sind, zu verhandeln, oder die einem zumindest nicht auf halbem Wege entgegenkommen, wahrscheinlich nicht an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sind. Für sie zählen die Beziehung oder die besonderen Fähigkeiten, die Du in ihre Produktion einbringst, nicht wirklich, sondern eher, das billigste Ergebnis zu erzielen. Allerdings liegt das Problem oft nicht bei den unmittelbaren kreativen Mitarbeitern, sondern eher bei den Anwälten und komplexeren Hierarchien größerer Produktionsfirmen, Fernsehsendern oder Video-Streamingdiensten im Abonnement (SVoD). Wenn Du die Hilfe Deiner kreativen Partner*innen in Anspruch nimmst und sie in Deinem Namen ein gutes Wort beim Sendernetzwerk einlegen, kann das ein effizienterer Weg sein, einen Kompromiss zu erzielen.“
*Hinweis: In einer Unterhaltungsindustrie mit zunehmend globalisierten Charakter werden australische Komponist*innen heute häufiger denn je aufgefordert, auf den sogenannten Verlagsanteil an den Tantiemen für öffentliche Aufführungen zu verzichten, insbesondere von großen multinationalen Produktionsfirmen, Sendern oder Streamern, und zwar häufig ohne eine Erhöhung der Vorschüsse. Angesichts der Aufgabe ihrer Verlagsbeziehung bzw. ihres entsprechenden Einkommens bestärkt die „Australian Guild of Screen Composers“ ihre Mitglieder, sich für höhere Vorauszahlungen zum Ausgleich für den Verlust potenziellen Einkommens zu entschädigen. Bei den meisten Aufträgen vor Ort mit niedrigem bis mittlerem Budget ist es jedoch nach wie vor üblich, dass australische Komponist*innen ihren Verlag behalten.
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